Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Hebräer 11,1

 

Liebe Leserinnen und Leser!

„Schloss am Kreuz“, so heißt das Bild auf dem Deckblatt unseres Gemeindebriefes. Nicht nur eins, sondern viele unterschiedliche Schlösser hängen an einem Brückengeländer. Wer hat sie festgemacht? Verliebte…, Besucher…, Menschen mit Heimweh oder voller Freude…Menschen, die einen festen Halt suchen…oder schon gefunden haben? Wir wissen es nicht…

Es mögen ganz unterschiedliche Beweggründe gewesen sein, die dazu geführt haben, diese Schlösser am Brückengeländer zu befestigen. Die Hoffnung vielleicht, dass die Liebe ewig hält und einen festen Platz hat…

Wie geht es Dir mit der Hoffnung? Wohnt sie bei dir? Hat sie ein Zimmer oder wenigstens ein Zimmerchen in deinem Leben? Hat sie eine Ecke in deinem Herzen? Oder vielleicht gar einen festen Platz an einem Brückengeländer…

Wo wohnt sie? Und, wenn sie bei dir lebt, wie bleibt sie lebendig? Woraus speist sie sich? Wovon wird sie genährt? Worauf gründet sie sich… Woran ist sie festgemacht?

Oder ist sie schon fast aufgezehrt? Aufgezehrt von vielen Enttäuschungen? Oder einem Schicksalsschlag?

Und: Wie groß darf sie werden, die Hoffnung? Darf sie so groß werden, dass sie auch aus dem Haus deines Lebens heraustreten und auf die Straße darf? Anderen Menschen begegnen, damit sie etwas von ihr wahrnehmen können? Gar an einem Brückengeländer hängen, so dass jeder sie sehen darf?

Vielleicht sind bei dir jetzt mehr Enttäuschungen vor Augen als Hoffnungen. Jedenfalls geht es mir häufig so. Es ist gar nicht so einfach, Hoffnung zu behalten oder immer wieder neu Hoffnung zu schöpfen. So viel spricht gegen sie, sowohl im eigenen Alltag, vor der eigenen Haustür, als auch in der Ukraine, im Nahen Osten, oder anderen Orten....

Deshalb muss sie stark sein; so stark sein, dass sie stark genug ist, um standzuhalten, wenn Enttäuschungen kommen.

Und Enttäuschungen kommen. Wie oft rauben sie der Hoffnung den Platz und das Recht! Und dann bleibt am Ende nur nüchterner Realismus und man denkt und sagt einander: „So ist das Leben eben. Sich bloß keine großen Hoffnungen machen. Dann kann man auch nicht enttäuscht werden.“

Oh ja, die Frage ist berechtigt, wo die Hoffnung wohnt, woran sie festgemacht ist! Den Jüngern ist sie jedenfalls auch abhandengekommen. Sie hatten sich so vieles versprochen vom Leben mit ihm, diesem Jesus von Nazareth. So viele Pläne hatten sie noch… Sie alle machten sich fest an dem, was sie bis jetzt mit Jesus erlebt hatten, gerade eben noch beim Einzug in Jerusalem. Doch plötzlich ist alles vorbei, aufgezehrt von Enttäuschungen. Verhaftet, gebunden sehen sie ihn vor sich. Nun gilt nur noch Schadensbegrenzung.

Im Gegensatz zu allen anderen Evangelien steht im Johannesevangelium in der Darstellung der Kreuzigung aber nicht die Verlassenheit Jesu im Mittelpunkt. Johannes geht weiter: Für ihn ist es wichtig, immer wieder eines zu betonen: Derselbe Jesus, der am Kreuz leidet, ist nicht nur Opfer, sondern zugleich auch der Christus, der Heiland.

Der, der von vielen verlassen wurde, verlässt nicht. Er verlässt weder diejenigen, die unter dem Kreuz gestanden haben, noch diejenigen seiner Jüngerinnen und Jünger, die aus den unterschiedlichsten Gründen geflohen sind. Wie Petrus beispielsweise, der aus Angst oder aus Schwäche Jesus verleugnet hat.

Der Gekreuzigte ist eben der Heiland. Einer der festgemacht ist, nicht mit einem Schloss am Geländer, sondern mit Nägeln in seinen Händen am Kreuz. Aber gleichzeitig auch einer, an dem man sich festmachen kann, wenn alles andere keinen Halt gibt.

Hinter dem Kreuz bricht das Licht auf. Es ist ein Ende und ein Anfang zugleich, Zeichen der größten Schwäche und Niederlage eines Menschen und Zeichen von Gottes Triumph. Der da hängt am Kreuz ist dem Tod unterworfen und hat ihn doch schon besiegt.

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ so sagt Jesus [bei Johannes] und benennt damit, was dort am Kreuz geschieht: Tod und Leben kämpfen miteinander und das Leben siegt. Es ist ein Kampf, der auch unser Leben bestimmt.

Jedes menschliche Leben kennt beide Erfahrungen – die Erfahrung, dass unser Leben gelingt, dass wir Grund haben uns zu freuen, zu hoffen und zuversichtlich in die Zukunft zu sehen – und die Erfahrung, dass der Tod uns bedroht, dass wir Scheitern und Zerstörung erleben, dass unser Leben misslingt und wir Schmerzen aushalten müssen. Unser Leben fließt nicht nur ruhig dahin wie ein sanfter, breiter Strom, wie der unter dieser Brücke.

Manchmal wehen auch die Wogen und Stürme des Lebens über uns hinweg, reißen uns mit sich und lassen uns an Orten zurück, wo wir niemals hinwollten.

Im Kreuz sind diese beiden Pole des Lebens vereint: Zerstörung und Neubeginn, Tod und Leben. Da, wo offensichtlich der Tod über das Leben siegt, hat Jesus den Sieg des Lebens gebracht. Das ist der Pfeiler, das Gitter an dem sich die Hoffnung festmachen kann, daran erinnern wir uns in 4 Wochen am Ewigkeitssonntag.

Hinter den vielen Kreuzungen und Kreuzen des Brückengitters auf unserem Bild ist das Rot des Lichtes, der Hoffnungsschimmer … wahrzunehmen. Hoffnung gibt Kraft, Kraft im Herzen. Sie stärkt uns, zu handeln, zu leben und zu hoffen. Denn diese Hoffnung überragt alles andere, was uns in dieser Welt an Enttäuschungen und Sehnsüchten oder an Zukunftserwartungen oder Katastrophenszenarien verunsichern mag.

An welchem Gitter mache ich meine Hoffnung, mein Herz fest? Was soll mein Innerstes halten? Worauf verlasse ich mich, so dass ich nicht verlassen bin? Das sind die Schlüsselfragen.

DU. Du, Jesus Christus bist es. An Dir will ich mein Leben festmachen. Ich halte mich an Dich. Du sollst mich halten. Denn Du sagst auch Ja zu mir bis in deinen Tod, deshalb kann ich mich festmachen bei dir und meinen Schlüssel getrost wegwerfen.


Es grüßt Sie / Euch ganz herzlich

Ihr / Euer Pastor Michael Hüstebeck